Die Uhr von Steve Wozniak

Es gibt vermutlich zwei Arten von Menschen: die, die nie im Himmel eine Uhr tragen würden wie die von Steve Wozniak – und die, die völlig begeistert sind. Erstere Gruppe ist vermutlich größer – das Ding hat die Größe zweier übereinander gelegter Lebkuchen, ist schwarz und wirkt klobig. Außerdem enthält die Uhr Uralt-Technik: Aber was für eine!

Die Uhr zeigt die Zeit nicht etwa über bürgerliche Zeiger, prollige LEDs oder (bewahre!) trashige Flüssigkristalle an, sondern über die alten Adeligen der Display-Technik: Nixie-Röhren. Nixie-Röhren, das sei Nachgeborenen erklärt, enthalten, vereinfacht gesagt, für jede Zahl und jedes Zeichen einen entsprechend geformten Leuchtfaden. Manchmal sieht man sie noch in alten Aufzügen – und hier am Handgelenk des Apple-Erfinders. Woz hat sichtlich Spaß an seinem neuen Spielzeug – immer dann, wenn er den Arm zu sich dreht, wacht die Uhr auf, schickt 100 Volt Anodenspannung durch die winzigen Röhren und lässt die Ziffern aufleuchten – erst Stunden, dann Minuten.

Steve Wozniak beim Interview mit 3Sat, 27.10.06Unser Treffen findet im Restaurant eines Frankfurter Hotels statt. Der Apple-Gründer entspricht in jedem Zentimeter seinem Image: ein hamsterdicker Mann Mitte Fünfzig mit Graubart, der umgänglich ist und geduldig, obwohl er in den letzten Tagen viel zu viele Interviews gegeben hat und man ihm auch anmerkt, dass er zu oft die gleichen Geschichten erzählt hat. Als ich ihm einleitend berichte, das erste Kunstwerk, dass ich je an der Wand hängen hatte, sei sein Werk gewesen (der komplette Schaltplan des Apple ][), greift er über den Restauranttisch und schüttelt mir die Hand. In unserem Gespräch wird er später auf wohldokumentierte Schalttricks, offene Quellcodes und andere Betriebsgeheimnisse zurückkommen: „Und wissen Sie, warum ich all das tun konnte? Ich hatte es aus Beispielen gelernt – aus all den Schaltungen und Programmbeispielen, die ich studieren durfte.“

Da liegt es auf der Hand: Woz ist Open-Source-Fan, auch wenn er weiter ein treuer Angestellter der Firma Apple ist. (Wofür er den berühmten regelmäßigen Gehaltsscheck bekommt, ist nicht überliefert – vermutlich als lebendes Museumsstück.) Und doch gibt es da einen Zwiespalt. Woz stammt aus einer Zeit, als Programmierer und Ingenieure einander nichts Schlechtes zutrauten: sie waren Gentlemen; selbst die frühen Bluebox-Hacker, zu denen er ja gehörte, waren Gentlemen, auch wenn sie mit höchst illegaler Untergrund-Elektronik handelten. Nie hätten sie sich Schlechtes zugetraut – und wenn jemand gegen den Codex verstieß, handelten sie wie Gentlemen: Woz erzählt, wie er einmal auf einer Präsentation der Firma Franklin aufgetaucht war – ein Betrieb, der mit Apple-II-Kopien handelte. Er fuhr dem Chef der Firma in die Präsentation: „Wissen Sie eigentlich, dass ich Ihr Chefingenieur bin?“ Er hat den Abkupferer so lange bestürmt, bis der diese Tatsache schließlich zugeben musste – ein Gehalt bekam Woz natürlich nicht dafür…

Er hat also durchaus schlechte Erfahrungen gemacht mit Offenheit und erzählt auch, dass das Urheberrecht sich erst entwickelte, als Apple begann, Klon-Kriege gegen die Armee der Nachbauer zu führen. Nicht, dass er wütend war damals. „Ich werde nicht wütend“, sagt er, und um die Frage Nummer Eins zu beantworten: ja, er und Steve Jobs sind keine engen Freunde mehr, aber sie kommen gut miteinander aus und freuen sich, wenn sie sich sehen. Das sei seit sehr langer Zeit so.

Wie gesagt: Woz ist mürbe. Er freut sich darauf, wieder nach Hause zu kommen. Von seiner Lust am Schrägen und an Streichen blitzt nur gelegentlich etwas auf: etwa, wenn er mir seine metallene Visitenkarte gibt, mit der er jedesmal für ordentlich Wirbel an der Flughafenkontrolle sorgt („So, meine Taschen sind leer, meinen Sie, ich sollte auch meine Visitenkarten aus der Tasche nehmen?“) oder wenn er erzählt, dass er sich auf das Segway-Polo-Spiel am kommenden Samstag freut.

Das Ergebnis unseres Gesprächs ist zu hören in hr-iNFO in der Sendung „Medien und Computer“ am 12.11. um 11 Uhr und wieder um 19.30 Uhr (oder ab 13.11. als Podcast. Die Memoiren von Steve Wozniak sind erschienen unter dem Titel „iWoz“ im Hanser-Verlag und kostet 19 Euro 90. Werbeteil Ende.

Woz!

Hach! Am Freitag interviewe ich Steve Wozniak!

Für jemanden, der in seinem Kinderzimmer den Schaltplan des Apple II an der Wand hängen hatte und das Red Book („die Bibel“) fast täglich in der Hand hatte, ist das durchaus ein Ereignis.

Es geht natürlich um Wozniaks Autobiographie „iWoz“, von der die c’t ja schon Auszüge veröffentlicht hat und die darauf schließen lässt, dass er einen schrägen Geek-Humor hut. Ich bin gespannt; Zeit genug dürfte sein.

Web 2.0: Willkommen in der Türsteher-Ökonomie

Wie soll sie funktionieren, die schöne neue Web-2.0-Welt? Die Games Convention in Leipzig gibt die Antwort: nach den Regeln der harten Tür. Du kommst hier nicht rein.

Die Games Convention ist eine Herausforderung, ganz besonders für einen an sich abgebrühten Techmessegeher wie mich. Naiverweise hatte ich angenommen: Die GC funktioniert im Prinzip wie die Cebit. Schließlich ist das Umfeld ein ähnliches: große Jungs jeden Alters, die man am besten mit neuem Spielzeug und eng verpackten Mädels zu Umz-Umz-Umz anlockt. Und doch musste ich lernen, dass sie zumindest für uns Journaille ganz anders funktioniert.

Auf der Cebit ist das nämlich so: wenn einem gar nichts anderes einfällt, geht man auf Pressekonferenzen. Ein echter Zeitsparer: kurz nach Beginn oder fünf Minuten vor Schluss auftauchen, die Info-Mappe abgreifen und noch schnell ein, zwei Sätze mit den anwesenden Firmenchefs aufnehmen. Weil – sind wir ehrlich: Wer geht schon auf Pressekonferenzen? Werbefilmchen und -folien kann ich auch aus der Pressemappe ziehen, und die Dinge, die mich wirklich interessieren, erfahre ich sowieso nicht aus den offiziellen Verlautbarungen, sondern allenfalls hinter den Kulissen. Und genau aus diesem Grund sind Pressekonferenzen auch angenehm halbleer.

Auf der Cebit.

Pressekonferenzen auf der GC sind dagegen völllig überfüllt. Schon eine halbe Stunde vorher drängt sich das zumeist junge Bloggervolk um die Stände und quetscht sich bis in den letzten leeren Kubikzentimeter Raum. Und wofür? Youtube-taugliche Demo-Filme, die dort zum ersten Mal präsentiert werden. Ein Blick auf großer Entfernung auf neue Produkte – aber auch nur auf das, was ohnehin bald in den Läden steht; keine großen Konzepte, keine Bahn brechenden Ideen. Eine abgeschmackte PR-Show. Nintendo zum Beispiel lässt die heiß erwartete Wii-Konsole gerade mal für ein paar Minuten aus dem Sack, um den dann gleich wieder zuzumachen, und für den Rest dieser Messe ist es tatsächlich leichter, an Verona Feldbusch heranzukommen als an eine Wii. (Keine Übertreibung: Neben Frau Pooth née Feldbusch stand ich irgendwann unversehends, eine Wii auszuprobieren kostete Arbeit.)

Ich kam dann schließlich über einen klassischen Kanal doch noch zur Wii: die freundlichen Kollegen von Konami hatten auch eine bekommen – übrigens mit einem Bewacher, der das Ding keinen Moment aus den Augen lassen sollte; irgendwann fiel Nintendo ein, dass der arme Mensch ja auch was essen muss, und ob Konami ihm vielleicht ein Brötchen…? Pausen hatte man nicht einkalkuliert. Aber ich schweife ab: interessanter ist, dass Nintendo für ausgewählte, einflussreiche, gut vernetzte Blogger eine Art Backstage-Bereich eingerichtet hatte. Davor ein roter Teppich, rote Absperrkordeln, Türsteher in schwarzen Anzügen und mit Knopf im Ohr. Wie Hollywood.

Hands on: Blogs sind (derzeit) glaubwürdiger als herkömmliche Medien. Ungefilterter, ehrlicher, direkter. Ihnen geht es nicht (wie mir) um Fragen nach der Firmenstrategie, den Absichten, den Informationen. Es geht darum, seine eigenen Erfahrungen zu beschreiben. Auch wenn diese Erfahrungen dann darin bestehen, dass man einen Werbefilm gesehen hat. Auch wenn man dafür in Kauf nehmen muss, sich vor einem Türgorilla selbst zum Affen zu machen. Macht euch nichts vor: auch die Blogosphäre kann man bestens manipulieren. GC ist die Zukunft.

Der gruseligste Satz, den ich über die Web 2.0-Ökonomie gehört habe, fiel in aller Unschuld und kam von einem Wunderkind: Gregor H., gerade 21, Stanford-Absolvent und ab nächstem Jahr Produktmanager bei Google. Ein beredter, intelligenter, besonnener Mensch. Wie sich denn das Web 2.0 finanzieren soll, habe ich gefragt? Und ob nicht zwangsläufig das gesamte Netz untrennbar verwoben sein muss mit Werbung, die von den Inhalten immer weniger zu trennen ist? Seine Antwort: Er hofft das Gegenteil – dass das Netz irgendwann so viel von mir weiß, dass die Werbung so genau auf mich zugeschnitten werden kann, dass ich sie als nützliche Information wahrnehme und nicht als Kommerz. Dass ich für Werbung dankbar bin.

(Kleine Fußnote noch: bis heute trauere ich der verpassten Gelegenheit der GC nach. Ich war einem jungen Kollegen begegnet, der gerade von Darmstadt nach Hamburg gewechselt war – von einer Online-Für-uns-selbst-Spiele-Publikation zur nächsten. Er nahm mich mit in eine Demo-Session bei Activision, wo uns ein freundlicher Ami „Call of Duty III“ vorführte. Ein Spiel, in dem man photorealistisch Episoden aus dem 2. Weltkrieg nachspielen kann. Häuserkampf, Mauer um Mauer, gegnerischer Soldat um gegnerischer Soldat – und ich bedaure bis heute, dass ich nicht meinem Impuls gefolgt bin, aufzustehen und dem kalifornischen Geek ein „Oh, I ssink I saw my Grändfaaaser just died sssere.“ Und dann nach einer atemlosen Schweigesekunde ein grienendes „Just kidding“ hinterherzuschieben. Ach…)

Wo, bitte, geht’s zum Web 2.0?

Web 2.0. Ein wunderbares Wort – das ist so schön schwammig, dass man alles hineinsaugen kann in diesen Schwamm; und wenn man mal versucht, Web 2.0 in den Griff zu kriegen, dann tropfen all die flüssigen kleinen Etiketten (sorry: Tags) wieder heraus und bilden eine Pfütze: Prosumer. Long Tail. Mashup. Ajax. AAL-Prinzip. Attention economy. Tagging. Schwarmintelligenz. Und ich muss aufwischen.

Ich habe nämlich die schöne, aber undankbare Aufgabe, über den Web 2.0.-Kongress in Offenbach zu berichten – und bin in der ersten Runde daran gescheitert; dazu später mehr. Tatsächlich sind auf diesem Kongress eine Menge intelligenter Menschen zu finden, die intelligente Dinge sagen – Menschen wie Martina (themenriff.de), die freie Theatermacherin ist und Programmiererin und Web-2.0-Aktivistin. Sie sagt schön provokante Dinge wie: Das Web 2.0 lebt davon, den Narzissmus und das Ego der Teilnehmer auszubeuten, und ist der Meinung, Unternehmen brauchen heute keine Marktforschung mehr, sondern sollen mit jedem einzelnen Kunden sprechen. Customer empowerment – auch eins dieser Schlagworte.

Am anderen Ende der Veranstaltungsleiter Andreas Weigend – beide kennen sich übrigens von diversen Treffen bestens. Weigend gibt als Wohnorte San Francisco und Shanghai an, war mal Chefentwickler bei Amazon und spricht beim Interview mit geschlossenen Augen – er zitiert aus sich selbst. Mit großer Penetranz den del.icio.us-User „ultracare“ lobt, dessen Tags er sensationell finde – ein Spiel, wie mir einer der Beteiligten verrät; vergleichbar dem „Beim Wullacken niemals mit dem Mottek wackeln“-Wettbewerb der taz. Wollen sie seinen Google-Rank hochstufen? Aufmerksamkeitsökonomie – auch einer dieser zentralen Begriffe.

Da ich endlich auch mitspielen möchte, habe ich ein Technorati-Profil angelegt. Das aber nur am Rande.

Was also ist Web 2.0? Versuch der Erklärung durch einen Unbeteiligten, 2. Teil, folgt, sobald ich meinen endgültigen Text fertig habe. Der erste Beitrag aus der vergangenen Nacht hat mich zwar sechs Stunden Arbeit gekostet, was für ein Radiostück ein reiner Exzess ist – ich saß wie ein Schimpanse vorm Bildschirm und wurde nicht klüger – am Ende habe ich aber zu ein paar platten Tricks gegriffen und etwas Hörbares produziert, das leider nun genau gar nichts greift oder erklärt.

Zu hören ist das MP3 hier. Zweiter Anlauf fürs Wochenende folgt.

tbc.

Retrochic

Was einen als Kind fasziniert hat, lässt ganz offensichtlich den Erwachsenen nicht los: sonst wäre kaum zu erklären, weshalb man so gern mit vorgestrigem Kram herumbastelt.

Aus einer solchen Regung entstand 2004 ein erstes Retro-Projekt: das „Sensolite“. Ein Exemplar des alten Elektronikspiels aus den 70ern sollte in eine netzbetriebene Leuchte verwandelt werden – aber (a) mit moderner LED-Technik und (b) voll funktionsfähig bleiben.

Sensolite

So sieht das Ergebnis aus: technisch und bastlerisch nicht sonderlich anspruchsvoll, aber ästhetisch sehr zufriedenstellend. Selbst meine Liebste, sonst allem Technikkram aus meinen Schubladen äußerst skeptisch begegnend, schaltet sie gern ein – ein Exemplar hängt in der Küche, der Prototyp in meinem Büro. Der Umbau-Aufwand liegt bei etwa einem Tag; die verbaute Elektronik ist sehr unaufwändig: ein Gatter, eine Handvoll Transistoren, leuchtstarke „LumiLED“-Leuchtdioden in vier Farben und ein Netzteil. Im Normalbetrieb funktioniert der Senso als dummer Leuchtkörper, schaltet man ihn ein, wird der alte Spielchip aktiviert und man kann wie gewohnt auf Tasten drücken…

Deswegen hat mich die Retro-Gehäusemod Atari-PC so fasziniert. Da ich selber eigentlich keinen weiteren Computer brauche (okay: was heißt schon brauchen, aber genug ist genug), habe ich als Vorwand beschlossen, einen Mediacenter-PC für meine Eltern zu bauen; mein Vater, der Ingenieur, war auch gleich Feuer und Flamme. Nur ob meine Mutter genauso begeistert mitspielt, ist mehr als fraglich.

Es wird ihr nichts anderes übrig bleiben.

Nachtrag, Sept. 2008: da ich eben über meine ersten Skizzen über das Innenleben des Senso gestolpert bin, trage ich sie hier nach – nebst einer rudimentären Bauanleitung. Weiterlesen

Drahtlose Versuchung: Ein Router out of the box

Script-Kiddies sind Menschen, meist jüngere, die stolz darauf sind, durch angelehnte Türen schreiten zu können.Meine technischen Fähigkeiten reichen auch nicht weiter, aber ich halte mich für abgeklärter.

Einerseits.

Andererseits sind angelehnte Türen schon irgendwie eine Herausforderung; vor allem, wenn sie noch in Leuchtfarbe gestrichen sind. Ich merke das in der Wohnung meiner Eltern – die haben nur ISDN, also lasse ich meinen Laptop aus reiner Langeweile nach offenen WLAN-Netzen suchen. Und in der Tat: Unter der SSID NETGEAR finde ich ein offenes Netz.

Nun spricht ein solcher Netz-Name; er sagt laut und deutlich: der Besitzer hat das Gerät ausgepackt, angeschlossen, läuft. Sicherheitsbedenken hatte er nicht; wahrscheinlich ist ihm nicht einmal bewusst, was man so aus dem Nachbargebäude mit seiner Technik anstellen kann. Ich besorge mir die Bedienungsanleitung des Geräts und suche nach dem voreingestellten Passwort, und tatsächlich: im Handumdrehen bin ich auf der Einstellungs-Seite des Geräts. Also habe ich Zugang zu T-Online-Userdaten, zu allen Protokollen und selbstverständlich zu allen Systemeinstellungen… und mein Unterbewusstsein sagt: Los, mach doch mal weiter; probier’s doch einfach mal aus, wie weit du kommst. Ist doch nur zum Besten des guten Mannes… dann kannst du ihm eine Mail schicken und ihn auf die Lücke hinweisen. Was natürlich eine Ausrede ist.

Schließlich finde ich eine salomonische Lösung: ich ändere die SSID des Funknetzes. Es heißt jetzt nicht mehr NETGEAR, sonder TU-WAS-FUER-DIE-SICHERHEIT.