Es gibt vermutlich zwei Arten von Menschen: die, die nie im Himmel eine Uhr tragen würden wie die von Steve Wozniak – und die, die völlig begeistert sind. Erstere Gruppe ist vermutlich größer – das Ding hat die Größe zweier übereinander gelegter Lebkuchen, ist schwarz und wirkt klobig. Außerdem enthält die Uhr Uralt-Technik: Aber was für eine!
Die Uhr zeigt die Zeit nicht etwa über bürgerliche Zeiger, prollige LEDs oder (bewahre!) trashige Flüssigkristalle an, sondern über die alten Adeligen der Display-Technik: Nixie-Röhren. Nixie-Röhren, das sei Nachgeborenen erklärt, enthalten, vereinfacht gesagt, für jede Zahl und jedes Zeichen einen entsprechend geformten Leuchtfaden. Manchmal sieht man sie noch in alten Aufzügen – und hier am Handgelenk des Apple-Erfinders. Woz hat sichtlich Spaß an seinem neuen Spielzeug – immer dann, wenn er den Arm zu sich dreht, wacht die Uhr auf, schickt 100 Volt Anodenspannung durch die winzigen Röhren und lässt die Ziffern aufleuchten – erst Stunden, dann Minuten.
Unser Treffen findet im Restaurant eines Frankfurter Hotels statt. Der Apple-Gründer entspricht in jedem Zentimeter seinem Image: ein hamsterdicker Mann Mitte Fünfzig mit Graubart, der umgänglich ist und geduldig, obwohl er in den letzten Tagen viel zu viele Interviews gegeben hat und man ihm auch anmerkt, dass er zu oft die gleichen Geschichten erzählt hat. Als ich ihm einleitend berichte, das erste Kunstwerk, dass ich je an der Wand hängen hatte, sei sein Werk gewesen (der komplette Schaltplan des Apple ][), greift er über den Restauranttisch und schüttelt mir die Hand. In unserem Gespräch wird er später auf wohldokumentierte Schalttricks, offene Quellcodes und andere Betriebsgeheimnisse zurückkommen: „Und wissen Sie, warum ich all das tun konnte? Ich hatte es aus Beispielen gelernt – aus all den Schaltungen und Programmbeispielen, die ich studieren durfte.“
Da liegt es auf der Hand: Woz ist Open-Source-Fan, auch wenn er weiter ein treuer Angestellter der Firma Apple ist. (Wofür er den berühmten regelmäßigen Gehaltsscheck bekommt, ist nicht überliefert – vermutlich als lebendes Museumsstück.) Und doch gibt es da einen Zwiespalt. Woz stammt aus einer Zeit, als Programmierer und Ingenieure einander nichts Schlechtes zutrauten: sie waren Gentlemen; selbst die frühen Bluebox-Hacker, zu denen er ja gehörte, waren Gentlemen, auch wenn sie mit höchst illegaler Untergrund-Elektronik handelten. Nie hätten sie sich Schlechtes zugetraut – und wenn jemand gegen den Codex verstieß, handelten sie wie Gentlemen: Woz erzählt, wie er einmal auf einer Präsentation der Firma Franklin aufgetaucht war – ein Betrieb, der mit Apple-II-Kopien handelte. Er fuhr dem Chef der Firma in die Präsentation: „Wissen Sie eigentlich, dass ich Ihr Chefingenieur bin?“ Er hat den Abkupferer so lange bestürmt, bis der diese Tatsache schließlich zugeben musste – ein Gehalt bekam Woz natürlich nicht dafür…
Er hat also durchaus schlechte Erfahrungen gemacht mit Offenheit und erzählt auch, dass das Urheberrecht sich erst entwickelte, als Apple begann, Klon-Kriege gegen die Armee der Nachbauer zu führen. Nicht, dass er wütend war damals. „Ich werde nicht wütend“, sagt er, und um die Frage Nummer Eins zu beantworten: ja, er und Steve Jobs sind keine engen Freunde mehr, aber sie kommen gut miteinander aus und freuen sich, wenn sie sich sehen. Das sei seit sehr langer Zeit so.
Wie gesagt: Woz ist mürbe. Er freut sich darauf, wieder nach Hause zu kommen. Von seiner Lust am Schrägen und an Streichen blitzt nur gelegentlich etwas auf: etwa, wenn er mir seine metallene Visitenkarte gibt, mit der er jedesmal für ordentlich Wirbel an der Flughafenkontrolle sorgt („So, meine Taschen sind leer, meinen Sie, ich sollte auch meine Visitenkarten aus der Tasche nehmen?“) oder wenn er erzählt, dass er sich auf das Segway-Polo-Spiel am kommenden Samstag freut.
Das Ergebnis unseres Gesprächs ist zu hören in hr-iNFO in der Sendung „Medien und Computer“ am 12.11. um 11 Uhr und wieder um 19.30 Uhr (oder ab 13.11. als Podcast. Die Memoiren von Steve Wozniak sind erschienen unter dem Titel „iWoz“ im Hanser-Verlag und kostet 19 Euro 90. Werbeteil Ende.