Mit der Flip, der Einfachst-Einknopfkamera für Webvideos, habe ich mich ja vor einiger Zeit ausführlichst beschäftigt; nun bin ich ihr – unerwartet – wieder begegnet: Ali vom Webmontag brauchte dringend Videos, weil das übliche Filmteam abgesprungen war. Außerdem kam der Applausometer, den wir auf eben jenem Webmontag eigentlich einsetzen wollten, nicht recht voran. Also eine spontane – was sonst: Bastellösung für die Webmontags-Videos: Neben einer geliehenen alten DV-Kamera auf dem Stativ eine Flip HD – gestellt netterweise vom reverb.mag – mit einer weiterentwickelten Variante der “Poor Man’s Steadicam”, auf offener Bühne gebastelt. Die ich hiermit offiziell Steadiflip taufe.
Steadiflip: Nette kleine Pointe am Rande…
In der Pause kam Katharina auf mich zu, eine Neu-Frankfurterin, die für ihren alten Arbeitgeber die Flip in Deutschland vermarktet hat – und meinte: Das hätte ich damals gern schon gekannt! Die Flip ist ja wie gesagt Geschichte, aber sie hat versprochen, mal bei ihren alten Kollegen nach einem Restexemplar für meine Redaktion zu suchen… :)
Das war der spaßige Teil. Und jetzt…
…kam etwas, das ich – naiverweise – für völlig trivial gehalten hatte: Die Videos schneiden. Das fängt beim Schnitt-Programm an und hört dort noch lange nicht auf.
“Schneid das doch mit iMovie”, bekomme ich zu hören, und da zwei Macs mit entsprechender Software im Haus sind, wäre das auch kein Problem.Aber: iMovie reicht für den (Ver-)Schnitt von zwei Kameras nicht aus – ich muss kurz das Konzept unseres Drehs mit zwei Kameras erklären.
Kamera eins ist sozusagen der Master – sie läuft die ganze Zeit und zeichnet auch den Ton aus dem Mischpult auf, dazu die immer gleiche Perspektive: Bühne total vom Stativ. Die zweite Kamera ist unsere Steadiflip – sie kann sich frei bewegen.
Im Profi-Studio würde man beide Aufnahmen mit einem Timecode synchron zu machen; dann hätte man Material der Zweitkamera einfach an den passenden Stellen über die Master-Bilder drüberschneiden. Im Bastel-Setup reicht es auch, die beiden Spuren übereinander zu legen und die Tonspuren zu synchronisieren – und schaltet dann einfach hin und her. (Was bei den meisten Editoren geht, indem man die Master-Spur ganz “oben drauf” legt und dann Löcher schneidet, wo die Zweitkamera sichtbar werden soll.)
Nun bin ich im Schnitt ein blutiger Dilettant, aber die Basics kriege ich hin – an Schnittsystemen wie dem bei Fernsehsendern üblichen “Avid”. Da ist das eine ganz einfache Übung; iMovie denkt ganz anders (eher, wie man mit Filmschnipseln arbeiten würde) und war deshalb zuviel für mich. Außerdem – siehe oben. Software zu kaufen wollte ich vermeiden, sonst wäre Apples Final Cut sicher ebenso eine Lösung gewesen wie Einfach-Schnittsoftware von Magix, Sony oder Pinnacle. Ich bin dann schließlich bei kdenlive unter Linux gelandet, was trotz einiger Instabilitäten schon in die richtige Richtung geht und mir sich auch schnell erschloss. Aber ein Selbstläufer ist die wackelige Open-Source-Software wahrlich nicht.
Und dann ist da noch die unerhebliche Tatsache, dass DV-Material mit AVCHD-Material aus der Flip verrührt werden muss. Meine Testflip 2009 hatte mir mit ihrem sehr eigenen Dateiformat zu schaffen gemacht; das aktuellere Modell weicht davon insofern angenehm ab, als es Filme im halbwegs standardisierten AVCHD-Format abliefert. (Und zudem noch an europäische Gegebenheiten angepasst: 50 Vollbilder pro Sekunde, was gut zur europäischen Fernsehnorm PAL passt; Amerikaner haben lieber 60 Bilder, was bei uns für Ruckelei sorgt.)
Allerdings sind 50 Bilder pro Sekunde in 720p eine Menge Holz – mein schöner Doppelkern-Netbook von Samsung jedenfalls stieg aus. Vollkommen unmöglich, damit zu arbeiten! Und dann sind 720p-Bilder auch noch im 16:9-Format, während meine antike DV-Masterkamera nur klassische 4:3-Fernsehbilder lieferte. Erst nach viel, viel Probiererei hatte ich einen halbwegs vernünftigen Workflow:
- Projekt anlegen. Auflösung 768×576 wählen (PAL-DV/Standard Definition)
- Alle Flip-Videos transkodieren, damit sie nicht so viel Datendurchsatz und Bandbreite verschlingen. Bei mir reichte eine Halbierung der Framerate aus; ersatzweise kann man sie auch auf 1024×576 runterrechnen. Dann laufen sie auch auf schwächeren Rechnern flüssig.
- Die Transkodiererei erledigt man unter Linux mit dem Befehl:
ffmpeg videodatei.mp4 -acodec copy -s 1024x768 -r 25 %1.mov
bzw. richtet sich in kdenlive ein Transkodier-Profil ein: Settings/Einrichten…/Transkodieren, und dann ein Profil mit der Befehlszeile oben (ohne ffmpeg input.mp4).
- Die Master-Spur von der Standkamera auf Spur “Video 1” legen. Audio trennen (damit liegt es auf Spur “Audio 1”) und die Gruppe auflösen, um Bilder schneiden zu können, ohne die Tonspur zu vermurksen. Tonspur noch mit dem “Mono nach Stereo”-Effekt bearbeiten – im allgemeinen liegt der Ton vom Pult ja nur auf einem Kanal, sollte aber auf beide.
- Die Steadiflip-Aufnahme(n) auf Spur “Video 2” legen und so lange hin- und herschieben, bis die Tonspuren deckungsgleich sind (kein Echo oder wenigstens nur ein ganz schwaches).
- Die Video-2-Spur vorbereiten: Den Effekt Crop/Zuschneiden und rechts und links je 152 einstellen. Mal nachrechnen: 1024px-128-128=768: passt!
- Jetzt mit dem Cursor und dem Clip-Monitor schauen, wo das Material der Steadiflip passt – an diesen Stellen die Spur Video 1 anwählen und mit Shift-R teilen, dann die überflüssigen Stücke löschen. Durch die Aussparungen wird jetzt das Bild der Video-2-Spur sichtbar.
- Zum Schluss rendern (=abspeichern): Dazu das Format MPEG-2/PAL/2000k wählen; damit wird’s wenigstens was.
- Viel Geduld mitbringen.
- Nach Abschluss des Renderns kann das Video zu Youtube.
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