Wie soll sie funktionieren, die schöne neue Web-2.0-Welt? Die Games Convention in Leipzig gibt die Antwort: nach den Regeln der harten Tür. Du kommst hier nicht rein.
Die Games Convention ist eine Herausforderung, ganz besonders für einen an sich abgebrühten Techmessegeher wie mich. Naiverweise hatte ich angenommen: Die GC funktioniert im Prinzip wie die Cebit. Schließlich ist das Umfeld ein ähnliches: große Jungs jeden Alters, die man am besten mit neuem Spielzeug und eng verpackten Mädels zu Umz-Umz-Umz anlockt. Und doch musste ich lernen, dass sie zumindest für uns Journaille ganz anders funktioniert.
Auf der Cebit ist das nämlich so: wenn einem gar nichts anderes einfällt, geht man auf Pressekonferenzen. Ein echter Zeitsparer: kurz nach Beginn oder fünf Minuten vor Schluss auftauchen, die Info-Mappe abgreifen und noch schnell ein, zwei Sätze mit den anwesenden Firmenchefs aufnehmen. Weil – sind wir ehrlich: Wer geht schon auf Pressekonferenzen? Werbefilmchen und -folien kann ich auch aus der Pressemappe ziehen, und die Dinge, die mich wirklich interessieren, erfahre ich sowieso nicht aus den offiziellen Verlautbarungen, sondern allenfalls hinter den Kulissen. Und genau aus diesem Grund sind Pressekonferenzen auch angenehm halbleer.
Auf der Cebit.
Pressekonferenzen auf der GC sind dagegen völllig überfüllt. Schon eine halbe Stunde vorher drängt sich das zumeist junge Bloggervolk um die Stände und quetscht sich bis in den letzten leeren Kubikzentimeter Raum. Und wofür? Youtube-taugliche Demo-Filme, die dort zum ersten Mal präsentiert werden. Ein Blick auf großer Entfernung auf neue Produkte – aber auch nur auf das, was ohnehin bald in den Läden steht; keine großen Konzepte, keine Bahn brechenden Ideen. Eine abgeschmackte PR-Show. Nintendo zum Beispiel lässt die heiß erwartete Wii-Konsole gerade mal für ein paar Minuten aus dem Sack, um den dann gleich wieder zuzumachen, und für den Rest dieser Messe ist es tatsächlich leichter, an Verona Feldbusch heranzukommen als an eine Wii. (Keine Übertreibung: Neben Frau Pooth née Feldbusch stand ich irgendwann unversehends, eine Wii auszuprobieren kostete Arbeit.)
Ich kam dann schließlich über einen klassischen Kanal doch noch zur Wii: die freundlichen Kollegen von Konami hatten auch eine bekommen – übrigens mit einem Bewacher, der das Ding keinen Moment aus den Augen lassen sollte; irgendwann fiel Nintendo ein, dass der arme Mensch ja auch was essen muss, und ob Konami ihm vielleicht ein Brötchen…? Pausen hatte man nicht einkalkuliert. Aber ich schweife ab: interessanter ist, dass Nintendo für ausgewählte, einflussreiche, gut vernetzte Blogger eine Art Backstage-Bereich eingerichtet hatte. Davor ein roter Teppich, rote Absperrkordeln, Türsteher in schwarzen Anzügen und mit Knopf im Ohr. Wie Hollywood.
Hands on: Blogs sind (derzeit) glaubwürdiger als herkömmliche Medien. Ungefilterter, ehrlicher, direkter. Ihnen geht es nicht (wie mir) um Fragen nach der Firmenstrategie, den Absichten, den Informationen. Es geht darum, seine eigenen Erfahrungen zu beschreiben. Auch wenn diese Erfahrungen dann darin bestehen, dass man einen Werbefilm gesehen hat. Auch wenn man dafür in Kauf nehmen muss, sich vor einem Türgorilla selbst zum Affen zu machen. Macht euch nichts vor: auch die Blogosphäre kann man bestens manipulieren. GC ist die Zukunft.
Der gruseligste Satz, den ich über die Web 2.0-Ökonomie gehört habe, fiel in aller Unschuld und kam von einem Wunderkind: Gregor H., gerade 21, Stanford-Absolvent und ab nächstem Jahr Produktmanager bei Google. Ein beredter, intelligenter, besonnener Mensch. Wie sich denn das Web 2.0 finanzieren soll, habe ich gefragt? Und ob nicht zwangsläufig das gesamte Netz untrennbar verwoben sein muss mit Werbung, die von den Inhalten immer weniger zu trennen ist? Seine Antwort: Er hofft das Gegenteil – dass das Netz irgendwann so viel von mir weiß, dass die Werbung so genau auf mich zugeschnitten werden kann, dass ich sie als nützliche Information wahrnehme und nicht als Kommerz. Dass ich für Werbung dankbar bin.
(Kleine Fußnote noch: bis heute trauere ich der verpassten Gelegenheit der GC nach. Ich war einem jungen Kollegen begegnet, der gerade von Darmstadt nach Hamburg gewechselt war – von einer Online-Für-uns-selbst-Spiele-Publikation zur nächsten. Er nahm mich mit in eine Demo-Session bei Activision, wo uns ein freundlicher Ami “Call of Duty III” vorführte. Ein Spiel, in dem man photorealistisch Episoden aus dem 2. Weltkrieg nachspielen kann. Häuserkampf, Mauer um Mauer, gegnerischer Soldat um gegnerischer Soldat – und ich bedaure bis heute, dass ich nicht meinem Impuls gefolgt bin, aufzustehen und dem kalifornischen Geek ein “Oh, I ssink I saw my Grändfaaaser just died sssere.” Und dann nach einer atemlosen Schweigesekunde ein grienendes “Just kidding” hinterherzuschieben. Ach…)